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Kommentar - Das Archiv
Der Pakt mit dem Teufel

Vor 80 Jahren, am 11. Februar 1929, schloss der „Heilige Stuhl“ mit dem faschistischen Diktator Benito Mussolini die Lateranverträge ab. Sie bilden bis heute die völkerrechtliche Grundlage für die Existenz eines Vatikanstaates.
Erst mit dem Faschismus wurde eine dem katholischen Klerus vorteilhaft erscheinende Regelung möglich, welche zuvor 60 Jahre lang das nicht-faschistische Italien verweigert hatte.
Im Jahre 1870 löste das Italien des Risorgimento den Kirchenstaat auf, was überhaupt erst die Staatsgründung mit Rom als Hauptstadt ermöglichte. Bis dahin hatten die Päpste mit weltlichem Machtanspruch mehrere Jahrhunderte lang über ganz Mittelitalien geherrscht.

Die italienische Regierung bot 1871 für den Verlust der irdischen Güter Papst Pius IX den Lateranpalast und eine jährliche Zahlung von 3 250 000 Lire an, eine für die damalige Zeit gewaltige Summe. Doch das reichte den Heiligen Vätern nicht, sie zogen sich in den Lateranpalast zurück, schmollten und bezeichneten fortan ihre unerfüllten Wünsche als „die römische Frage“.
Das Warten sollte sich lohnen. Erst mit den Faschisten konnte man nach dem bewährten römischen Prinzip „Nimm und Gib“ weit vorteilhaftere Bedingungen aushandeln.

Die zwischen dem Katholizismus und dem Faschismusgeschlossenen Lateranverträge verliehen dem Vatikan eine eigene Staatlichkeit und dem Papst als souveränem Herrscher wurde ein eigenes Territorium in den Grenzen des heutigen Vatikanstaates zugebilligt. Der Katholizismus wird Staatsreligion. Religionsfreiheit und ein ändnis im heutigen Sinne war in der Weltsicht der beiden vertragsschließenden Parteien nicht vorgesehen.

Vereinbart wurde auch eine Entschädigungszahlung von 1 750 000 000 Lire, die Bezahlung der Priester und die Übergabe einiger Kirchen und Paläste auch außerhalb der Vatikanstadt, wie der Sommerresidenz Castel Gandolfo.
Und das Gib ?  Die Lateranverträge haben dem faschistischen Regime im Volk einen enormen Rückhalt gegeben, meint der deutsche Faschismus-Experte Lutz Klinkhammer. Und vor allem konnten sich die Faschisten von nun an auf eine unglaubliche Äußerung von Papst Pius XI. über Mussolini berufen: „Vielleicht war ein Mann nötig, wie ihn uns die Vorsehung hat treffen lassen“.  Darauf hin wurde „der Duce“ von den Faschisten als gottgesandter „Mann der Vorsehung“ gepriesen. Darüber hinaus ließ Papst Pius XI. in einer Audienz vom 16. Mai 1929 zur Rechtfertigung der Lateranverträge verlauten:

„Wenn es sich darum handeln würde, auch nur eine einzige Seele zu retten, einen größeren Schaden von den Seelen abzuwenden, so würden wir den Mut aufbringen, sogar mit dem Teufel in Person zu verhandeln“.

Gerettet wurde durch diesen Pakt mit dem Teufel aber wohl keine einzige Seele, sondern es wurden vielmehr höchst irdische, machtstrategische Ziele erreicht. Die Lateranverträge hatten dann auch eine Signalwirkung für das Reichskonkordat, welches Adolf Hitler, vier Jahre später, am 12. September 1933 mit dem Vatikan abschloss. Es gelang ihm damit, gleich zu Beginn die Machtübernahme zusätzlich zu legitimieren. Das Reichskonkordat gilt bis heute.
Es ist in jedem Fall ein bleibender Makel, dass der Vatikanstaat seine Existenz allein einem Vertrag mit dem Faschismus verdankt. Man könnte Pius XI. sogar so verstehen, dass dies ein Pakt mit dem Teufel war.

R. Z.


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Glaube als Wissenschaft

Wenn sich der Wissenschaftsrat jetzt mit der Krise der akademischen Theologie an den deutschen Hochschulen befasst, so wird diese Krise durch ein paar kosmetische Reparaturen nicht zu beheben sein, denn sie ist grundsätzlicher Natur. Es war schließlich nicht mehr länger zu übersehen, dass der wissenschaftliche Ertrag an unseren theologischen Fakultäten dürftig ist.
Das Vorhandensein separater theologischer Fakultäten gründet sich allein auf den Glauben, dass es eine gültige göttliche Offenbarung gibt.
Ohne eine solche Voraussetzung hätten Theologen keinen zusätzlichen Erkenntnisvorsprung und sie könnten das, was sie zu sagen haben, genau so gut in der Fakultät für Philosophie oder in der Historischen Fakultät zum Ausdruck bringen.

Der Glaube an eine christliche Offenbarung ist jedoch keineswegs so allgemein akzeptiert, als dass man darauf eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin gründen könnte. Jedenfalls dürften dies allein schon die 28 Millionen Menschen in diesem Land so sehen, welche keiner christlichen Religionsgemeinschaft angehören.
Auch wird ein japanischer, indischer oder chinesischer Wissenschaftler, der sich sonst leicht mit seinen Kollegen in anderen Ländern verständigen kann, mit einer auf einer christlichen Offenbarung beruhenden Wissenschaft nichts anzufangen wissen.
Dies muss die Akzeptanz unserer theologischen Fakultäten in der internationalen Wissenschaftsgemeinde irreparabel beschädigen.
Vor allem aber regieren die Kirchen als außenstehende Organisationen in nicht hinnehmbarer Weise in diesen Teilbereich der Universitäten hinein und kontrollieren, welche wissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse zulässig sind und welche nicht. Wer von den kirchlichen Vorgaben abweicht, muss die Fakultät verlassen.
Ein solcher wissenschaftlicher Skandal ist in keiner anderen Fakultät denkbar.
Und so haben sich hinter diesem kirchlichen Schutzzaun viele der 1 400 Professoren, Dozenten und Assistenten an den deutschen theologischen Fakultäten „angesichts der knappen Bestände an heiligen Texten in ein absurdes philologisches Spezialistentum verrannt.“ (Friedrich W. Graf).
Der Wissenschaftsrat wird daher zunächst einmal die Frage beantworten müssen, welche Art von Wissenschaft unter solchen Bedingungen überhaupt möglich ist.
Die Forderung an unsere theologischen Fakultäten nach größeren wissenschaftlichen Erträgen dürfte aber an der Sache vorbeigehen, weil sie unter den gegebenen Umständen unerfüllbar ist.

So scheint es sich als einzige sachgerechte Lösung anzubieten, die theologischen Fakultäten, soweit dies Glaubensinhalte angeht, in die Obhut und die Verantwortung der Kirchen zu entlassen und was an Wissenschaft übrig bleibt, in die bestehenden Fakultäten zu integrieren.
Es wird interessant sein zu sehen, ob der Wissenschaftsrat trotz aller kirchenrechtlichen und staatlichen Vorgaben sich zu einer Empfehlung durchringen kann, welche geeignet ist, das Wissenschaftsethos zu wahren, oder ob er aber empfiehlt, weitere Kuren an einem nicht behebbaren Gebrechen zu versuchen.


Robert Zwilling, Heidelberg