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Aus dem Okzitanischen

Viage dar Pappa quand à l’è endà en Paradis

Die Geschichte von der Reise des Papstes, als er ins
Paradies ging, einem Department des Himmels

Eine Satire von Alexis Muston(1810 – 1888)


Zu jener Zeit sagte der Papst zu seinen Oberen:  In der Tat, diese französische Nation verursacht mir große Übelkeit, sie wollen unsere Brüder in Frankreich schwören lassen, dass alle die Glaubensartikel des Evangeliums beachten, und sie machen dabei Druck auf die Kardinäle, die Bischöfe, die Erzbischöfe, die Priester und die Mönche. Diese Bekenntnisse bringen meinem Prestige Schaden, daher wende ich mich an Euch, auf dass Ihr mir ein wenig sagen könnt, was Euer Dafürhalten ist.

Also sagten ihm die Oberen:Eure Heiligkeit, exkommuniziert diese französische Nation, und der Papst sagte:Aber wenn ich sie exkommuniziere, dann nehmen sie mir Avignon weg. Und die Oberen sagten zu ihm:Eure Heiligkeit, dann exkommuniziert sie eben nicht.
Und der Papst fuhr fort zu sagen:Aber wenn ich sie gewähren lasse, dann ist meine Autorität dahin, und am Ende bin ich ein Papst ohne Papsttum.
Und die Oberen haben ihm erwidert: Eure Heiligkeit, exkommuniziert sie.
Und der Papst gab zurück:Wenn ich das tue, dann widerrufen diese Götzendiener die Pipinische Schenkung. Und die Oberen sagten von neuem:Eure Heiligkeit, exkommuniziert sie nicht.

Da kam dem Papst der Gedanke, dass sie ihn wohl veralbern wollten, und er sagte zu ihnen:Gehet alle dahin, wo der Teufel wohnt !
Dann ließ der den Kardinal Bernis kommen, um ihn zu konsultieren.
Der Kardinal sagte zu ihm: Eure Heiligkeit, der Fall ist ein wenig kompliziert und ich wüsste nicht, wer ihn besser für Euch entwirren könnte, als die Heilige Dreifaltigkeit. Ich würde Euch den Rat geben, Euch an diese zu wenden.

Und der Papst sagte: Ich werde tun, wie Ihr mir sagt. Und sogleich sagte er zu seinen Domestiken:Bringt mir sogleich meine drei Kronen, meine schöne Soutane aus weißem Moiré, mein schönes Spitzenkleid, meine schönen, mit Hermelin gefütterten Pantoffeln, meine schön bestickten Strümpfe mit Goldspitzen, und meine schönen Ärmel. Die Domestiken brachten ihm die sieben Wunder des Pontifikats, nach denen er verlangt hatte. Der Achte brachte ihm Mandelpaste für die Hände, der Neunte Rosenwasser, um sich etwas Farbe zu geben, und der Zehnte das „opial“ für die Zähne, der Elfte den Siegel, um sich darin zu betrachten und der Zwölfte sein Fernrohr, um das Paradies aus größerer Entfernung sehen zu können. Als alles bereit war, stieg er auf seine schöne neapolitanische Stute und dann ist er mit großem Galopp aufgebrochen.

Als er an der Pforte des Paradieses ankam, wollte er seinen Sankt Petrus-Schlüssel probieren, aber all das Blut der armen Protestanten, welches man in den Zeiten der Verfolgung vergossen hatte, hatten diesen so rostig werden lassen, dass er ihn nicht im Schloss drehen konnte.
Da hat also der Papst an die Pforte geklopft mit seinem Kreuz und Sankt Petrus hat gefragt:Wer ist da ?
Und der Papst hat zu ihm gesagt:Es ist Euer Nachfolger.
Nun hat also Sankt Petrus durchs Schlüsselloch gelugt und hat zu ihm gesagt:
Was Du da sagst, ist eine Lüge, denn ich war ein armer Fischer an den Ufern des Sees Genezareth und ich trug geflickte Kleider und einen rauen Ledergurt. Und wenn Du mein Nachfolger wärst, dann würdest Du nicht so schöne Kleider tragen.
Und der Papst hat zu ihm gesagt:Großer Heiliger, die trage ich, weil man mir sie so gegeben hat. Ich schwöre Euch, dass ich keine Lügen sage
Da hat also Sankt Petrus den Riegel aufgeschoben und hat zum Papst gesagte:
Hebe den Türhaken, und der Papst hat den Türhaken gehoben und die Pforte hat sich geöffnet.
Aber da gab es ein weiteres Hindernis:Die Pforte zum Paradies ist – wie ihr wisst – sehr eng, und da der Papst immer gut gelebt hatte und gute Sachen gegessen hatte, war er groß und dick wie ein Fass. Und Sankt Peter fuhr ihn an:Wenn Du es so wie ich gehalten hättest und nur Kartoffeln und Kohl gegessen hättest, dann würdest Du Dich nicht so abmühen um durchzukommen.
Und der Papst hat zu ihm gesagt:Die Barmherzigkeit hat sich entblößt und hat den Armen Brot und Kohl zum Essen gegeben. Aber gäbe es nicht die Möglichkeit, diese Pforte da ein wenig zu erweitern, damit ich passieren kann ?
Und Sankt Petrus sagte zu ihm:Ein Papst ist ein Mensch wie jeder andere, die Schuhmacher sind hier durchgekommen, und entweder kommst Du auch durch oder Du bleibst draußen.
Da hat sich also der Papst auf die Seite gedreht, hat begonnen seinen Kopf hineinzustecken, und dann einen Arm und dann ein Bein und Sankt Petrus hat ihm einen Schubs gegeben und er ist eingetreten.

Kaum war er eingetreten, da versammelten sich alle Heiligen, Engel, Erzengel und Seraphine um ihn herum und sprachen unter sich:Wer ist dieses fremdartige Tier ?
Und da hat Sankt Petrus zu ihnen gesagt: Es ist ein Papst.
Da haben sie alle laut gerufen und haben die Hände zusammengeschlagen:
Kommt mal, um das anzuschauen, ein Papst ist angekommen ! Oh, was ist das für eine schöne Sache, ein Papst ! Manche glaubten es sei ein Maskierter und die Cherubini flogen um ihn herum und riefen: Schaut Euch das an, welch schlichter, lieber Papst im Hause des lieben Gottes, mit seiner Gicht in seinem Hochstuhl.

Nun hat der Papst zum lieben Gott gesagt:Ihr seht vor Euch den Diener Eurer Diener. Euch brauche ich nicht zu sagen, weshalb ich gekommen bin, denn Ihr seht alles, wisst alles und seid überall gegenwärtig.
Und derliebe Gott schüttelte den Kopf und sagte:Herr Papst, Du weißt, dass ich schon alt bin, es ist nicht mehr wie zu der Zeit, als ich die Wunder an Moses geschehen ließ, und heute kann ich sie an niemandem mehr bewirken. Aber geh’, suche meinen Sohn, das ist ein Mann, der schon seinen Weg gemacht hat, er ist jung und kühn, geh’ hin und rede mit ihm, ich kann Dir nicht helfen.
Und da hat der Papst gesagt:Ich gehe, und er ist gegangen.

Jesus Christus korrigierte gerade einen Fehler in der neunten Ausgabe des Evangeliums, und der Papst hat zu ihm gesagt, vergebt mir, Herr, wenn ich Euch störe, aber die französische Nation verfolgt mich, Herr, helft mir, ich habe die Ehre, Euer Stellvertreter zu sein.
Und Jesus Christus hat zu ihm gesagt:Wie ?Du mein Stellvertreter ?Ich wurde in einem armen Dorf in Judäa geboren, und in der Werkstatt eines armen Zimmermanns großgezogen, und Du stammst von der illustren und noblen Familie der Braschi ab. Ich habe die Bescheidendheit gepredigt und Du bist hochmütig wie ein Pfau. Ich habe noch einfacher gelebt als ein Priester im kleinsten Dorf und Du gibst Dich als König der Könige aus.
Meine Kleider waren am Ellenbogen zerrissen, meine Schuhe waren so zerschlissen, dass das Wasser eintrat. Und Du bist besser gestellt als der reichste Bankier zu Zeiten des Herodes.
Ich hatte kein Feuer und kein Holz, um mich zu erwärmen, und manchmal noch nicht einmal einen Stein, um mein Haupt darauf zu betten. Und Du ruhst auf guten Kissen und Matratzen und auf Kacheln aus Marmor und Gold, und Du lebst sogar in einem prachtvollen Palast.
Ich hatte manchmal recht lange Zähne (dialektaler Vergleich für „hatte großen Hunger“, der Übers.) und Du hast immer etwas zu verdauen. Fahre dahin, geh’ weg, mein lieber Stellvertreter,ich bin nicht ein so dummes Tier, als dass ich mich für einen Unverschämten einsetzte, der so wenig meine Gesetze befolgt. Es reicht mir,es war schon genug, einmal gekreuzigt zu werden, und mein Herz sagt mir, dass es nicht gut ist, dahin noch einmal zurückzukehren.
Und dann jagte er ihn davon und hat ihm die Türe vor der Nase zugeschlagen.

Und der Papst ging davon, kleinlaut wie ein geschlagener Hund.
Sankt Petrus hatte vom Himmel herab Mitleid mit ihm und hat zu ihm gesagt: Geh’ und besuche den Heiligen Geist,und der Papst hat zu ihm gesagt:aber sehr gern !
Und Sankt Petrus öffnete die Tür zu einem Geflügelstall und der Papst ist hineingegangen und hat eine sehr schöne kleine Taube auf einer Papageienstange gesehen, mit schönen Augen und einem roten Schnabel, welchen sie benutzte, um die Heilige Jungfrau …
Und der Papst hat zu ihr in lateinischer Sprache gesagt: Venit Creator Spiritus, was heißen soll: Komm Schöpfergeist, und die Taube sagte zu ihm: Wer bist Du ?
Und der Papst hat zu ihr gesagt:Heiliger Geist, ich bin Euer Interpret auf Erden, und Gott sei es gedankt, ich langweile mich nicht dabei.
Und die Taube hat zu ihm gesagt:Guter Mensch, träumst Du ? Du kannst nicht wissen, was ich gesagt habe, weil ich Dich nicht kenne, also sage mir wenigstens, wer Du bist.
Und der Papst hat zu ihr gesagt: Ich bin der Papst. Und die Taube hat zu ihm gesagt: umso schlimmer für Dich, aber sage mir, was Du willst.
Und der Papst hat zu ihr gesagt: Ich bitte Euch um handfeste Unterstützung. Ihr möget mir glauben, jene französische Nation will nicht, dass meine Kardinäle, Bischöfe, Erzbischöfe, Priester und Mönche ihre Paläste und Güter haben.
Und die Taube gab ihm zurück:Was geht mich das an
Und der Papst bemerkte:Und sie zerstören meine Autorität, und sie haben mir meine Einnahmen genommen und wollen, dass ich sie ganz verliere.
Und die Taube hat erneut zu ihm gesagt: Was geht mich das an ? Sie tuen recht daran.
Und der Papst hat zu ihr gesagt:Wenn Ihr das tun wolltet, was ich Euch sage, mir zu helfen, eine Gegenrevolution in Frankreich zu machen, dann würde ich Euch die Hälfte von dem geben, was wir dabei gewinnen können.
Und die Taube hat zu ihm gesagt:Geh!Hebe Dich weg, Satan! Ich sehe, dass Du ein Verwandter des Teufels bist, der Jesus Christus auf den Berg geführt hat.
Geh! sage ich Dir. Gott bewahre mich davor, etwas gegen jene Nation zu unternehmen. Ich erinnere mich noch an das päpstliche Edikt, mit welchem sie die Tauben ausrotten wollten. Hau ab, sage ich Dir, und lass’ Dich nicht ein zweites Mal blicken, damit ich Dich nicht rausschmeiße und Dir mit Schnabelhieben die Augen aushacke.
Da hat der Papst zu weinen begonnen, und sagte, während er davonging:Ach ja, … diese französische Nation ist im Himmel so gern gesehen wie auf Erden.
Und als er wieder in Rom ankam, erwarteten ihn die Kardinäle und Bischöfe, und sie haben zu ihm gesagt:Heiligkeit, Ihr dürft nicht verzweifeln. Ihr habt nicht das Geld, um Soldaten zu bezahlen und um ein großes Heer loszuschicken, damit sie Euch fürchten lernen und Euch als König der Könige anerkennen und als Herrn der gesamten christlichen Welt.
Und der Papst hat zu ihnen gesagt: Ihr habt recht, und hat sich zu Tisch begeben und hat mit Lust gegessen, weil er Hunger hatte.

Übersetzung: Robert Zwilling

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Anmerkungen:

Mustons Satire ist ein interessantes historisches Dokument der Zeit um 1835.
Die Vorwürfe, die er in Form einer Satire gegen den etablierten Klerus vorbringt, haben unverändert auch für unsere heutige Zeit ihre Gültigkeit behalten. Seine Sozialkritik und die Aufforderung, zum ursprünglichen Evangelium zurückzukehren, lassen uns erkennen, wie wenig sich in 175 Jahren geändert hat.
Die Satire wurde ursprünglich im okzitanischen Patois des Pellice-Tales in Piemont verfasst, der Heimat von Alexis Muston. Das Patois ist eine schlagfertige und bauernschlaue Sprache, sodass die Satire nicht zuletzt von daher ihren Witz und ihre Pfiffigkeit bezieht.
Aus seiner Heimat musste Muston im Januar 1835 unter Lebensgefahr in 5 m hohem Schnee über die Alpenpässe nach Frankreich fliehen, weil er verhaftet werden sollte. Er hatte seine Doktorarbeit ohne Genehmigung des Bischofs in Genf drucken lassen.
Muston sollte nie wieder in seine Heimat zurückkehren. Er fand Aufnahme in die literarischen Kreise Frankreichs und hatte Umgang mit Victor Hugo, Alexandre Dumas, George Sand und anderen. Bei einer Wanderung im Odenwald mit seinem Freund Georg Büchner entstanden die einzigen Portrait-Zeichnungen, welche wir von Büchner überhaupt besitzen.

Robert Zwilling